CORD MEIJERING COMPOSER

"No man ever steps in the same river twice" (Heraclitus)

CORD MEIJERING
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SONATA PER VIOLONCELLO SOLO
composed in
1992

duration
approx. 16 min. 28 sec.

1st movement 2 min. 40 sec.
2nd movement 4 min. 50 sec.
3rd movement 1 min. 53 sec.
4th movement 3 min. 20 sec.
5th movement 1 min. 20 sec.
6th movement 2 min. 25 sec.

dedicated to
Wolfgang Lessing

first performance
January 11, 1993
Universitätskirche Münster/Westfalen, Germany
Wolfgang Lessing, violoncello

publisher
EDITION MEIJERING

program notes (german)
Meine sonata per violoncello gehört zu den Stücken, die ich in größtmöglicher Annäherung an die zuerst von den surrealistischen Dichtern Frankreichs entwickelte écriture automatique komponiert habe. Den ersten Versuch mit dieser Arbeitsweise unternahm ich 1987 in meinem Streichtrio "... bewegt..." . Später (1992) folgten die Serenade III für Flöte, Violine und Viola sowie einige Kompositionen, in denen die écriture automatique mit anderen Arbeitsweisen kombiniert wurde.

Bei der automatischen Schreibweise - d. h. intuitives Komponieren unter größtmöglicher Ausschaltung kritischer Reflexion - handelt es sich weniger um eine Methode als um ein unerreichbares Ziel. Besonders beim Komponieren von Musik ist das Ausschalten von reflektierenden Gedanken aufgrund der großen Komplexität der Schriftzeichen weitaus schwieriger als beispielsweise in der Dichtkunst. Dies, was zunächst wie ein Nachteil erscheinen mag, entpuppt sich jedoch als ein großer Vorzug: gerade in dieser Unerreichbarkeit eines "absichtslosen" Komponieren in Verbindung mit dem Wunsch, das Unerreichbare dennoch - wenigstens für einige wenige Momente - möglich zu machen, liegt die Spannung produzierende Kraft der écriture automatique. Wie komplex die Kompositionsvorgänge hierbei sind, zeigt sich unter anderem schon darin, dass automatisches Schreiben konsequenter Weise auch bedeutet, sich selbst dem eventuell auftauchenden Wunsch nach Reflexion nicht zu verschließen.

Um sich diesem Ziel - das reflektierende Denken auszuschalten, oder es wenigstens abzulenken - anzunähern, bedurfte es einiger ungewöhnlicher Operationen: Komponieren während eines Gesprächs mit Freunden auf der Autobahn, im Rausch, im Übermüdungszustand, in sommerlichen Gärten etc.

Für meine Sonata per violoncello solo ergab sich daraus eine Musik in 6 Teilen:

Der erste Teil bringt eine größere Anzahl divergierender Gestalten in abrupten Wechseln. Eingesprengt sind - vielleicht wie ein Motto - zwei Zitatfragmente aus Wagners Tristan und Isolde (Stimme eines jungen Seemanns, aus der Höhe, wie vom Maste her: "Westwärts schweift der Blick, ostwärts streicht das Schiff" und "Wehe, wehe, du Wind!").

Der zweite Abschnitt, eine Art innerer Monolog ist einerseits rhythmisch genau notiert, andererseits sind diese Rhythmen mit unterschiedlich langen Fermaten und ständig wechselnden Tempoangaben so relativiert, dass sie einen zusätzlichen Raum für ein subjektives Gestalten des Interpreten eröffnen.

Teil drei lässt ein Capriccio erahnen, sehr leicht, wie dahinhuschende Bruchstücke der Erinnerung.

Der vierte Abschnitt ist eine horizontal-lineare Variante des zweiten, der fünfte eine ins Schattenhafte gesteigerte Version des dritten Teils (komponiert auf der A7 zwischen Rasthof Kassel und Rashof Hannover Wülferode am 23. Juli 1992).

Den Schluss bildet ein dreiteiliges Stück, deren Teile wie verschiedene Aspekte der gleichen Situation erscheinen: Komponiert in einem norddeutschen Garten, beginnt und endet der Abschnitt mit einer Art Perspektive von innen nach außen (von Komponisten aus gesehen) in Form von ruhig wiederkehrenden Rufen einer Ringeltaube. Plötzlich, quasi schnittartig unterbrochen wird dieses Rufen von dem, was eine andere Perspektive, vielleicht die von innen nach innen, eröffnet. Das erneute Rufen der Ringeltaube beschließt die Komposition.