CORD MEIJERING COMPOSER

"No man ever steps in the same river twice" (Heraclitus)

CORD MEIJERING
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만가 輓歌 Maanga (Dirge, Grablied) - Quartet version
composed in
2016

duration
approx. 11 min. 35 sec.

dedicated to
to the memory of my mother and to my father

first performance
november 4, 2016
Dr. Hoch’s Konservatorium, Frankfurt, Germany
Bärmann Trio and Udo Diegelmann
Sven van der Kuip, clarinet Bb
Ulrich Büsing, bass clarinet
John Noel Attard, piano
Udo Diegelmann, percussion

publisher
EDITION MEIJERING

program notes (german)
Meine Kammermusik 만가輓歌 MAANGA schrieb ich im Sommer 2016 unter dem Eindruck des Todes meiner Mutter.

Das koreanische Wort MAANGA bedeutet GRABLIED.

Wie auch in meinem vorausgegangenen Orchesterwerk 한恨 HAN wird der formale Verlauf der Komposition vom Jinyangjo bestimmt, einer rhythmischen Periode, mit der in der traditionellen koreanischen Musik häufig die Gefühle von Schmerz und Trauer begleitet werden. Sie besteht aus vierundzwanzig 3-Achtel-Takten (westliche Notation), die sich in 4 Phrasen von je 6 Takten unterteilen lassen. Bei den ersten beiden 6-taktigen Phrasen werden jeweils der erste Takt (Beginn der Phrase) wie auch die Takte 5 und 6 (Abschluss der Phrase) artikuliert. Bei der dritten Phrase wird ebenfalls der erste Takt artikuliert, am Ende gibt es jedoch einen starken Akzent auf Takt 5 und keinen auf Takt 6. In der letzten Phrase wird wieder der erste Takt sowie die Takte 5 und 6 artikuliert. In den Takten 5 und 6 aller 4 Phrasen variieren die Artikulationen in ihrer rhythmischen Ausgestaltung.

Die Harmonie, die besonders im Klavier dem Jinyangjo folgt, formt sich aus den vertonbaren Buchstaben des Namens meiner Mutter, HE(NNY M)A(RI)E GE(R)DES: HE-AE-GD-Es.

Quasi polyrhythmisch, aber doch miteinander korrespondierend, wird dem Jinyangjo der Atemrhythmus meiner Mutter am letzten Tag ihres Lebens hinzugefügt. Dabei gibt es 6 Atemzüge innerhalb des 24-taktigen Jinyangjo. Zu Beginn des Werkes erscheint dieses Atmen ganz allein. Der Jinyangjo tritt erst im 2. Durchgang hinzu.

Die 24-taktigen rhythmischen Perioden werden 14 mal wiederholt. Die Mitte des Stücks ist somit am Ende des siebenten Durchlaufs erreicht. Sie wird markiert, indem sowohl Phrase 7 (welche die erste Hälfte des Stücks beendet) als auch die den zweiten Teil beginnende Phrase 8 beide in unterschiedlicher Form den Choral “VOR DEINEN THRON TRET ICH HIERMIT” von Johann Sebastian Bach - gleichsam als geisterhaft auftauchende Gestalt - intonieren. Der 14.7. ist der Geburtstag meiner Mutter.

Ein weiteres Zitat erscheint erstmals im 4. Durchlauf: Es ist eine PADUANA des Lauten-Komponisten Esaias Reussner (1636-1679). Unter anderen Kompositionen wurde dieses Stück von dem Gitarristen Eugen Drabynka zur Urnen-Beisetzung meiner Mutter gespielt.

Die einzig wirklich laute Stelle ides Werkes erscheint im 9. Durchgang ab Takt 209. Sie markiert den GOLDENEN SCHNITT.

Wie sich bei all dem zeigt, kombiniert die Komposition Maanga unterschiedliche Elemente, Ereignisse und Gestalten, die vor Beginn der Komposition oder auch während des Komponierens schicksalhaft in mein Leben getreten sind.

Dies betrifft auch das Instrumentarium. Bei diesem Stück ergab es sich aus dem für mich überraschenden Auftrag, für das Bärmann-Trio und den Schlagzeuger Udo Diegelmann ein Stück zu schreiben, sowie aus den Glocken der Kirche in Schlitz, die nach dem letzten Atemzug meiner Mutter und ebenfalls im Augenblick, da sie von zuhause abgeholt wurde, - als wäre es inszeniert - erklangen. Um den kirchlichen Aspekt zu mildern und um dem Instrumentarium eine Verbindung zum koreanischen Rhythmus und vielleicht auch zu Vorstellungen des koreanischen Buddhismus zu verleihen, wählte ich für dieses Stück eine koreanische Tempelglocke.

Selbst Anregungen anderer Menschen schließe ich nicht von vornherein aus: Während meiner Arbeit an Maanga bekam ich Besuch des mit mir nah verwandten Bernd Ihno Eilts. Als ich ihm die neue Komposition vorstellte, sagte er: “Ich habe nur einen kleinen Wunsch: Bring bitte an irgendeiner Stelle des Werkes ein Rascheln, wie zum Beispiel das von unter Schritten zerbrechenden Zweigen und Blättern auf dem Waldfriedhof, wo Deine Mutter liegt. Dadurch kannst Du den Raum weiter öffnen und darauf verweisen, dass nicht nur sie gestorben ist, sondern dass alles um uns herum permanent stirbt”. Mir gefiel dieser Gedanke so sehr, dass ich in den Durchgängen 4 und 8 jeweils zweimal eine von Besen und Holzschlegeln auf Großer Trommel zu spielende Gestalt komponierte, die sich von allem Übrigen vollständig unterscheidet, und die wie ein Geist in einem koreanisch-schamanistischen Ritual unsere “innere musikalische Bühne” betritt.

Das Arbeiten an der Komposition eines neuen Werkes bedeutet für mich, allen schicksalshaft zusammenkommenden und hereintretenden Klangbildern eine nachvollziehbare Form zu verleihen, die trotz oder gerade wegen ihrer emotionalen Klarheit das Auditorium berühren möge.