libretto byanonym
dramatis personaeKrankenschwester (nurse) - coloratura soprano
Direktor - baritone
Arzt (doctor) - baritone
Patient - bass baritone
instrumentssaxophone, accordion, violoncello
composed in1999
durationapprox. 18 min.
dedicated tono dedication
first performanceJune 13, 1999
THEATER IM MOLLERHAUS Darmstadt, Germany
Krankenschwester, Konstanze Schlaudv
Direktor, Martin Ludwig
Arzt, Joachim Neumeister
Patient, Jannis Dervenis
saxophone, Sabine Steinhoff
accordion, Christiane Lüder
violoncello, Anita Maschke
conductor, Regina Kaufmann
stage director, Hans Jörg Meißlein
stage design, Anja Diefenbach
publisherEDITION MEIJERINGprogram notes (german)Wo bleibt das Messer - Wo bleibt mein Fisch
In der Arie der Italienischen Oper steht die Vielgestaltigkeit der musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten häufig einer starken Beschränkung auf der Textebene gegenüber. In vielen Fällen ist die textliche Information auf nur wenige Sätze beschränkt, die im Verlauf einer Arie in stets sich wandelndem musikalischen Ausdruck wiederholt werden.
Um diese Gestaltungsmöglichkeiten mit Studierenden üben zu können, entwarf der Regisseur und Leiter der Opernschule der Darmstädter Akademie für Tonkunst, Hans-Jörg Meißlein zwei szenische Verläufe, in denen die Solistinnen und Solisten die Handlung mit meist je einem, höchstens aber mit je drei Sätzen zu bestreiten haben.
In den Vorübungen, die im Herbst 1998 im Rahmen des szenischen Unterrichts stattfanden, wurde zunächst sogar darauf verzichtet, eine Handlung vorzugeben. Die Studierenden der Opernschule improvisierten sprechend mit den ihnen zugeteilten Sätzen über einige Unterrichtswochen hinweg immer neue Handlungs- und Affektsituationen.
Der Komponist Cord Meijering nahm an einigen dieser Improvisationsstunden beobachtend teil. Er komponierte nach Abschluss dieser Arbeitsphase, ausgestattet mit nur wenigen Textzeilen und einem von Hans-Jörg Meißlein entworfenen dramatischen Handlungsverlauf, die beiden Opernszenen „Wo bleibt das Messer“ und „Wo bleibt mein Fisch“.
Die Technik der textlichen Beschränkung wurde dabei insofern auf die Spitze getrieben, als sie nicht nur die Arienteile bestimmt sondern alle Dialoge, rezitativischen Teile und Ensemblesätze. Der Handlungsverlauf ergibt sich beinahe ausschließlich aus der Art der szenisch-musikalischen Gestik und aus den Affekten der handelnden Personen.
Für die Studierenden der Opernklasse bedeutet diese Vorgehensweise, dass sie einerseits einen Text, den sie ohne Musik mehrfach improvisatorisch in Szene umgesetzt hatten, am Ende in einer komponierten Form einstudieren konnten. Die Kommunikation der seelischen Energien zwischen den Figuren wurde dabei in musikalische Dynamik übertragen. Die emotionale Überspannung, die sich durch den Gesang befreien muss, wurde mittels Übersteigerung „kleiner Situationen“ erreicht. Der Weg zur Groteske war dadurch vorgezeichnet.
Aus der Möglichkeit, die Opernszenen in einem annähernd theaterüblichen Proben- und Produktionsablauf einzustudieren und das Ergebnis in Konfrontation mit einem öffentlichen Publikum vorstellen zu können, ergibt sich eine größtmögliche Praxisnähe des dramatischen Unterrichts.
Das Zusammenwirken von Komponist, szenischem Unterricht, Dirigentin (Regina Kaufmann), Bühnenbildnerin (Anja Diefenbach) und den Studierenden bietet darüber hinaus die Möglichkeit zu optimaler Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Opernliteratur und neuen Musiktheaterformen. Außerdem ergibt sich daraus eine größtmögliche Anpassung des Komponierten an die speziellen organisatorischen, ausbildungs- und besetzungstechnischen Gegebenheiten eines Ausbildungsinstituts wie der Darmstädter Akademie.
Auf der „Orchester“-Ebene wurde außer der Flöte und dem Violoncello noch ein Altsaxophon und ein Akkordeon einbezogen um einerseits die klanglichen Vorteile, die diese Instrumente bieten, zu nutzen. Andererseits soll diesen im Orchester eher selten vertretenden Instrumenten die Möglichkeit gegeben werden, Erfahrung im Spielen von Opernliteratur zu bekommen. Besonders die Möglichkeiten, die das Akkordeon bietet, wurden in der bisherigen Opern- und Orchesterliteratur noch allzu wenig genutzt.
Zwischen die beiden Opernszenen wurde ein Intermezzo gesetzt, das aus verschiedenen Elementen montiert wurde: Es gibt darin barocke Vokal- und Instrumentalmusiken von Robert de Visée, Henry Purcell, Jean Barrière und Giacobbe Basevi Cervetto, die in szenischen Zusammenhängen präsentiert werden. Hinzu kommen Texte surrealistischer Dichter wie Benjamin Perét und Kurt Schwitters sowie Zitate aus Lexika und historischen Schriften zur Affektenlehre des Barock. Die szenischen Elemente sind größtenteils aus Improvisationsübungen hervorgegangen. Aus der Montage all dieser Teile zu einem Intermezzo ergab sich ein Assoziationsfeld, in dem sich auf vieldeutige Weise auch Überlegungen, Gedanken und Atmosphären widerspiegeln, die während der Vorübungen zu den beiden komponierten Opernszenen entstanden sind. Der Zusammenhang zwischen diesen und dem Intermezzo ist demnach ein rein assoziativer. Das Intermezzo ist somit wohl eine Darstellung des historischen Bezugspunktes der Opernszenen wie auch eine frei gestaltete Reflexionsphase, in der eine emotionale, gedankliche Auseinandersetzung mit den historischen und zeitgenössischen Voraussetzungen für die Arbeit an den beiden Kurzopern stattfindet.